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Mittwoch, 1. Februar 2017

Drei Fragen an: Vera Kostial

Gäste am Graduiertenkolleg beantworten drei Fragen zur Bedeutung von "Romantik" für ihr Leben und ihre Forschung.

1. Was verbinden Sie ganz allgemein mit 'Romantik'?

„In einem Augenblick war er [Heinrich von Ofterdingen] fertig, und küßte Klingsohr mit vieler Inbrunst die Hand. Sie gingen zu Mathilden, die in ihrem einfachen Morgenkleide wunderlieblich aussah und ihn freundlich grüßte. Sie hatte schon das Frühstück in ein Körbchen gepackt, das sie an den einen Arm hing, und die andere Hand unbefangen Heinrichen reichte. Klingsohr folgte ihnen, und so wandelten sie durch die Stadt, die schon voller Lebendigkeit war, nach einem kleinen Hügel am Flusse, wo sich unter einigen hohen Bäumen eine weite und volle Aussicht öffnete.“

(Auszug aus Novalis, Heinrich von Ofterdingen)

2. Womit haben Sie sich genau in Ihrer Masterarbeit beschäftigt? Wie haben Sie sich in Ihrem Forschungsprojekt mit dem Phänomen 'Romantik' aueinandergesetzt?

Meine Masterarbeit basiert auf der Problematik, dass es in einem internationalen literaturwissenschaftlichen Kontext sehr unterschiedliche Verständnisse davon gibt, welche Zeiträume, Personen und Werke die literarische Strömung der Romantik einschließt. Dies zeigt sich besonders deutlich an den verschiedenen Auffassungen darüber, ob Goethe zur Romantik zu zählen ist beziehungsweise ob seine Werke romantisch sind oder nicht. In meiner Arbeit habe ich daher versucht, die Entwicklungen der Begriffsverständnisse von romantischer Literatur rund um die Zentralfigur Goethe in der Zeit um 1800 nachzuzeichnen. Kernpunkt der Analyse bildete dabei ein Vergleich zwischen Goethes Wilhelm Meisters Lehrjahre und Novalis‘ Heinrich von Ofterdingen, der lange Zeit als romantischer Gegenpart zum Wilhelm Meister angesehen wurde.

3. Im Graduiertenkolleg 'Modell Romantik' wird davon ausgegangen, dass die Romantik modellbildende Qualitäten aufweist. Können Sie damit etwas anfangen?

Unbedingt! Mit welchem konkreten Aspekt der Romantikforschung man sich auch beschäftigt, am Anfang sollte doch immer die Frage stehen, welches Verständnis des Begriffs Romantik oder eben welches Modell des Konzepts von Romantik im jeweiligen untersuchten Kontext zugrunde liegt. Durch den Begriff des Modells kann dabei unabhängig von konkreten historischen Einordnungen fassbar gemacht werden, mit welchen Inhalten der Begriff des Romantischen in einer bestimmten Situation, bei einer bestimmten Person oder in einem bestimmten Werk gefüllt ist. Der jeweilige Gebrauch des Begriffs selbst kann also en detail bestimmt werden, was eine wertvolle Grundlage für jede weitere Arbeit mit dem Begriff der Romantik im jeweiligen Kontext bietet.

Vera Kostial hat ihr Studium der Komparatistik und der Deutschen Philologie an der Georg-August-Universität Göttingen abgeschlossen mit einer Masterarbeit „Goethe als Romantiker? Konzeption von romantischer Literatur/romantic literature/ littérature romantique um 1800“. Aktuell arbeitet sie an einem Dissertationsprojekt über Wertungsprozesse von Literatur in sozialen Medien.

Vom 19. bis 22. Oktober 2016 war Vera Kostial zu Gast am Graduiertenkollegs „Modell Romantik“.