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Montag, 11. Mai 2020 | Caroline Rosenthal

Alltag anders bei Caroline Rosenthal

Unter dem Titel „Alltag anders“ versammeln wir Selfies und Statements von Kollegmitgliedern, die sich mit den Fragen beschäftigen: Was machen Sie derzeit, was Sie sonst nicht tun? Hat sich Ihre Wahrnehmung durch die gegenwärtige Situation verändert? Worüber denken Sie plötzlich nach? Was wünschen Sie sich für morgen, in einem Monat, in einem Jahr?

Wir denken nach über nationalstaatliche und föderale Unterschiede, darüber, was Solidarität in Deutschland und Europa denn nun konkret bedeutet? An wen sollten wir als Familie spenden? Darüber, wie gut die Deutschen im Aufstellen und Einhalten von Regeln sind und wie erbarmungslos all denen gegenüber, die sie als regelwidrig erleben. Darüber, dass alle Politiker nur davon reden, wie wir bald möglich zum Status quo, zur Normalität zurückkehren und niemand den Mut, hat Ausstiegs- oder Alternativszenarien zu skizzieren.  Den Kapitalismus und das ewige Wachstum mal in Frage zu stellen, das Schneller und Weiter, wäre schön.

Wir sitzen – im wahrsten Sinne des Wortes – high and dry in der Corona Krise in einem geräumigen Haus über der Saale. Mein Mann, mein Sohn und ich verschwinden morgens in drei unterschiedliche Arbeitszimmer und stellen uns den Herausforderungen der neuen, digitalen, Welt. Meist mit Enthusiasmus über die digitalen Tools, die sich uns nun zwangsweise entdecken, manchmal mit Verzweiflung über technische Pannen. Mittags kocht eine/r von uns oder wir holen etwas bei Kantine-Kaffee-Kante (dem Ableger des Liebstöckl in unserem Kiez) und dann treffen wir uns in der Küche. Jeden Tag sind wir dankbar, nicht in der vordersten oder auch nur zweiten oder dritten Reihe in dieser Krise zu stehen. Wir sind die Glückskinder der Krise. Nach dem anfänglichen Erstaunen darüber, dass Konferenz um Konferenz sich aus dem Kalender leerte, genießen wir die Entschleunigung…

Was wir uns wünschen ist, ein paar positive Lehren aus der Krise zu ziehen, den Status quo in Frage zu stellen, das Neue mitzunehmen. Digitale Lehre z.B. kann und sollte die Präsenzlehre nicht ersetzen, aber für eine Anfängervorlesung mit 450 Leuten um 8 Uhr morgens in einem Physikhörsaal stellt sie eine echte Alternative dar. Klimaziele zu erreichen durch weniger Reisen ist eine echte Investition in die Zukunft. Und einen Moment inne zu halten und wahrzunehmen, wie gut sich ein leerer Terminkalender anfühlen kann.