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Freitag, 26. August 2022 | Karin Aeschlimann

Bericht zur Summer School "Von Hoffmann bis Tocotronic - Romantik aktuell"

Karin Aeschlimann (Universität Bern) berichtet über die Summer School des Kollegs.

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Die Summer School »Von Hoffmann bis Tocotronic – Romantik aktuell« (3.–10. Juli 2022 an der Friedrich-Schiller-Universität Jena) startete mit einem zweitägigen Seminarprogramm. In insgesamt sechs Sitzungen, die  von Doktorierenden des DFG-Graduiertenkollegs »Modell Romantik« organisiert worden waren und moderiert wurden, diskutierten wir Teilnehmenden mit ebendiesen Doktorierenden und mehreren Hochschullehrer:innen  gemeinsam verschiedene »Texte[] der historischen Romantik« und »Rezeptionsphänomene[] in Literatur, Film und Musik« (vgl. Klappentext auf dem Programmflyer zur Summer School).

Den Einstieg in die äußerst  ereignis- und lehrreiche Woche übernahm PD Dr. Sandra Kerschbaumer. Nachdem wir im Plenum Merkmale des romantischen Kindheitsbildes zusammengetragen hatten, stellte Kerschbaumer die Frage in den Raum, wie man diese beispielhaften Befunde in einem Modell abstrahieren und zusammenbinden könnte. Damit machte sie uns Summer-School-Teilnehmende umgehend vertraut mit dem Zweck und den Forschungszielen des seit 2015 geförderten Graduiertenkollegs. Mit den Doktorandinnen Jennifer Stevens und Sophie Lauster behandelten wir in der zweiten Seminareinheit die Themen Schwarze Romantik und Apokalyptik anhand des Textes »Darkness« von Lord Byron und eines Auszugs aus Jean Pauls »Siebenkäs«. Wir kamen zum Schluss, dass die beiden Autoren grundsätzlich eine sehr ähnliche »apokalyptische Sprache« verband, Byron aber im  Unterschied zu Jean Paul die heilsgeschichtliche Komponente in seinem Text vollständig aussparte. Den Abschluss des ersten Seminartages bildete die Besprechung von Christa Wolfs »Kein Ort. Nirgends« unter der Leitung der Doktorandin Tabea Lamberti und Prof. Dr. Gisela Mettele. Mit ihrer Schilderung eines imaginierten Zusammentreffens der beiden Außenseiter:innen Karoline von Günderrode und Heinrich von Kleist griff Wolf zu DDR-Zeiten einen zentralen Widerstreit der historischen Romantik, die Transgression binärer Geschlechtsmodelle, wieder auf.

Der Vormittag des zweiten Seminartages stand ganz im Zeichen des romantischen  Kunstmärchens. Prof. Dr. Stefan Matuschek suchte mit uns in E.T.A. Hoffmanns »Goldenem Topf« nach Übergangsstellen von der fiktiven Realität zum »Wunderbaren« bzw. »Fantastischen«. Matuscheks Anmerkung gegen Ende der Sitzung, Hoffmann habe Sigmund Freud mit seinen Texten wesentlich inspiriert, überraschte nicht. Am Nachmittag folgte eine intensive Auseinandersetzung mit mehreren Texten der Band Tocotronic. Die Diskussionen in Kleingruppen und der anschließende gemeinsame Austausch wurden souverän geleitet von den Doktorierenden Jennifer Stevens, Jakob Stephan und Matthis Glatzel sowie von Prof. Dr. Dirk von  Petersdorff. In den Songs von Tocotronic konnten wir sowohl holistische als auch dezentralisierende Elemente – die das »Modell Romantik« ausmachen – aufspüren und eine romantiktypische Tendenz zur »Aussicht ins  Unendliche« festmachen. Der Tag wurde abgerundet von einem Film-Abend im gemütlichen Kino des idyllischen »Schillerhof«: Nachdem wir in den schauerlichen Genuss des in Weimar und Jena spielenden Films  »Endzeit« gekommen waren, wurde uns von Jennifer Stevens und Prof. Dr. Caroline Rosenthal die Gelegenheit geboten, Olivia Vieweg näher kennenzulernen und ihr Fragen zu stellen. Sie hatte mit ihrer gleichnamigen Graphic Novel und Diplomarbeit die Vorlage für den Film geliefert.

Der zweite Teil der Summer School bestand aus dem Besuch der dreitägigen internationalen Tagung »GegenRomantik«, die ebenfalls das  Graduiertenkolleg auf die Beine gestellt hatte. Eingeladen waren neben den Summer-School-Teilnehmenden zahlreiche weitere Personen, allen voran die Referierenden. Die Tagung sollte »[…] komplementär zur bisherigen Arbeit des Kollegs die Gegenspieler der Romantik in den Blick nehmen und sich mit der Romantik als Streitfall beschäftigen« (Klappentext auf dem Programmflyer zur Tagung). So wurde uns beispielsweise die Epoche der Romantik als verschiedengestaltige, europäische Erscheinung vor Augen gestellt und wir konnten unsere Wissenshorizonte zu den Verhältnissen der Romantik zum Liberalismus, zum Realismus und zur Natur(-betrachtung) erweitern. Besonders in Erinnerung geblieben ist mir (Karin Aeschlimann) Maren Kames’ stimmungsvolle Präsentation ihres eigenen Gedichtbandes »Luna Luna« am späteren Mittwochnachmittag. Die Literaturkritikerin Beate Tröger hatte den Gedichtband zuvor im Rahmen der Tagung m.E. trefflich vorgestellt.

Am Samstag, den 9. Juli 2022, erreichten wir bereits den letzten offiziellen Tag der Summer School. Obwohl es zeitweise in Strömen regnete, wurden alle interessierten Summer-School-Teilnehmer:innen von der Doktorandin Caroline Will auf eine wunderbare »Literaturwanderung in und um Jena« mitgenommen. Wir besuchten u.a. Schillers  Gartenhaus, das Romantikerhaus und den Eichplatz, auf dessen Areal 1799 das berühmte »Romantikertreffen« – in der WG der Gebrüder Schlegel an der damaligen Leutragasse – stattgefunden hatte. Etwas wehmütig fanden wir Summer-School-Teilnehmenden und eine grosse Gruppe von Doktorierenden abends zu einem letzten gemeinsamen Abendessen zusammen. Wir waren uns einig, dass die Woche unglaublich erfreulich und  zufriedenstellend verlaufen war. Wir alle hatten nicht erwartet, dass wir uns untereinander so gut verstehen und zusätzlich zum offiziellen Programm so viel Zeit miteinander verbringen würden. An dieser Stelle möchte ich  mich deshalb noch einmal ganz herzlich beim gesamten Graduiertenkolleg für die geleistete (Vor-)Arbeit und das unermüdliche Engagement während der Summer-School-Woche bedanken.

An der Summer School nahmen insgesamt zehn internationale Studierende teil.